Post-Covid und ME/CFS sind zwei mögliche Verlaufsformen von Long-Covid, einer Folge der Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, wobei für ME/CFS noch weitere Ursachen diskutiert werden
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Der Begriff Long-COVID ist ein Überbegriff, um die gesamte Krankheitslast zu beschreiben, die sich aus einer Infektion mit SARS-CoV-2 bei einem Individuum ergeben kann, die persönliche Krankheitslast, die enorm eingeschränkte Lebensqualität und die sozioökonomischen Auswirkungen auf Bevölkerungsebene, um daraus sinnvolle Präventionsmaßnahmen abzuleiten. Aus praktischer, diagnostischer, therapeutischer und wissenschaftlicher Sicht ist es jedoch wichtig zu differenzieren.
Einerseits können verschiedene Krankheitsmechanismen zu Grunde liegen wie z.B.: Persistierendes Virusreservoir, latente Virusreaktivierung, Mikrobiom-Dysbiose, Erschöpfung von Immunzelluntergruppen und Autoimmunität, die zu latenten Entzündungsreaktionen, Gewebedysfunktion, Minderperfusion von Geweben, hyperkoagulativem Status, Gefäßschäden, erhöhter Anfälligkeit für andere Infektionen, hormonellem Ungleichgewicht, Neuroinflammation und mitochondrialer Dysfunktion führen können.
Andererseits kann auch nach folgenden praktischen Kriterien untergliedert werden wie in der folgenden Publikation ausgeführt:
- Hoffmann, K., Stingl, M., O’Mahony, L. et al. A Practical Approach to Tailor the Term Long COVID for Diagnostics, Therapy and Epidemiological Research for Improved Long COVID Patient Care. Infect Dis Ther (2024). https://doi.org/10.1007/s40121-024-01025-x
Auch Kombinationen sind möglich bzw. beeinflussen sich diese Gruppen auch gegenseitig.
Gerade die Gruppe der Post-COVID Erkrankten hat im Gesundheitssystem oft mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen, da die zugrundeliegenden physiologischen Fehlfunktionen zumeist nicht mit den derzeit standardmäßig durchgeführten diagnostischen Mitteln erkennbar sind. Bereits früher wurde festgestellt, dass "[...] das postakute Infektionssyndrom mit eindeutigen physiologischen Funktionsstörungen [...] mit den medizinischen Standarddiagnosetests oft nicht konsequent nachgewiesen werden kann. Diese Diskrepanz unterstreicht den Bedarf an einer neuen Generation empfindlicherer Testverfahren für Menschen mit postakutem Infektionssyndrom.[Iwasaki & Putrino, 2023]" Darüber hinaus gibt es für diese Gruppe der Erkrankten bisher noch keine ursächliche Therapie.
Wenn im Rahmen eines Post-COVID Syndrom Post-Exertional-Malaise (PEM) vorkommt und die Symptomatik länger als 6 Monate besteht, sollte auch an ME/CFS gedacht werden und die Diagnostik lt. NICE-Guideline und den kanadischen Konsensuskriterien durchgeführt werden. Der bisherige Stand der Forschung hat gezeigt, dass schätzungsweise 1% der Patient:innen nach einer COVID-19-Erkrankung ME/CFS entwickeln können [Komaroff AL and Bateman L,, 2021; Komaroff AL and Lipkin, 2023]. Wenn man dies anhand der verfügbaren Zahlen hochrechnet, könnten in Österreich 64.000 Menschen mit ME/CFS zusätzlich zu den bereits präpandemisch bestehenden ca. 26.000-80.000 ME/CFS-Patient:innen betroffen sein.
Manifest: Empfehlung zur Versorgung vom Menschen mit postakuten Infektionssyndromen (PAIS)
Frau Prof. Hoffmann hat als Arbeitsgruppenleiterin der Arbeitsgruppe des Obersten Sanitätsrates zum Thema spezifische Versorgungsstrukturen für Menschen mit postakuten Infektionssyndromen aus diesem Grund zusammen mit dem Arbeitsgruppenteam und Patient:innen-Organisationen ein Manifest erarbeitet, welches hoffentlich als Anstoß für die Schaffung von adäquaten Versorgungsstrukturen im Gesundheits- und Sozialwesen dient sowie auch zu passenden Rahmenbdingungen für Wissenschaft und Forschung. Das Manifest finden Sie hier.
Ansprechperson für diesen Forschungsschwerpunkt
Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Kathryn Hoffmann, MPH
Email: kathryn.hoffmann@meduniwien.ac.at
Tel. (Sekretariat): +43 (0)1 40160 34602
Prävention
Nachdem die einzige Ursache für Long-Covid und der multiplen SARS-CoV-2 Spätschäden eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 ist, steht die Vermeidung einer Infektion oder Reinfektion an oberster Stelle.
Geeignete Maßnahmen zur Infektionsprävention bei Aerosol-übertragbaren Erregern allgemein sind:
- Saubere und gesunde Luft in Innenräumen durch ausgiebiges Lüften, was oftmals nicht ausreicht oder praktikabel ist, sowie den Einsatz von Abluft- und Luftsfiltersystemen. Dazu gibt es mittlerweile bereits viele gute wissenschaftliche Studien und viele Länder weltweit machen gesunde Innenraumluft zur Priorität. Zusätzlich ist es von Vorteil, CO2-Sensoren einzusetzen, um die Luftgüte auch sichtbar zu machen. Saubere und gesunde Innenraumluft reduziert nicht nur die Übertragungshäufigkeit von durch Aerosole-übertragbare Erkrankungen, sondern unterstützt auch noch eine bessere Konzentrationsfähigkeit von Menschen, reduziert die Häufigkeit von Kopfschmerzen und vermindert die Belastung durch Feinstaub und Pollen.
- Das Tragen von FFP2 oder FFP3 Masken an Orten, an denen viele Menschen und keine gesunde Luft vorhanden sind.
- Eine intelligente, sozial-gerechte und konsequente Test-Trace-Isolate Strategie
- Angepasste Impfstoffe
Aus diesem Grund ist Frau Prof. Hoffmann auch eine der Ärzt:innen, die den offenen Briefe an die Österreichische Ärztekammer mitverfasst und unterzeichnet haben: Öffentlicher Brief an Ärztekammer.pdf - Google Drive
Mitterweile wurde der Brief in vielen Medien publiziert und von Kolleg:innen sehr weit geteilt (USA, Kanada, England, Australien, Deutschland, Schweiz, Portugal, Spanien usw...). Sogar der bekannte SARS-CoV-2 Forscher Dr. Ziyad Al-Aly aus St. Louis/USA hat den Brief vorbildlich gefunden und geteilt. Viele Ärzte und Ärztinnen im Ausland möchten den Brief als Vorlage nehmen und in ihren Heimatländern ein ähnliches Schreiben verfassen! Unter folgendem Link ist der Brief in deutscher und englischer Version zu lesen, auch kann er von weiteren Ärzt:innen sowie Gesundheitspersonal unterzeichnet werden: https://covidisnotover.info/oeffentlicher-brief-an-aerztekammer/
Falls es Mensch doch erwischen sollte, was leider auf Grund der inzwischen völlig fehlenden Präventionsmaßnahmen in Österreich häufiger wird, finden Sie hier ein paar wichtige Tipps zur essentiellen Schonung nach SARS-CoV-2 Infektion:
Post-COVID syndrom
Wie bereits oben erwähnt braucht es zur adäquaten Diagnostik vom Post-COVID Syndrom und seinen Begleiterkrankungen spezifischere diagnostische Mittel als derzeitige Standarddiagnoseverfahren [Iwasaki & Putrino, 2023].
Besondere Beachtung sollte auf das Vorhandensein von PEM/PESE gelegt werden. Dieser Punkt ist so wichtig, da von diesem die grundsätzliche Therapieausrichtig abhängt.
Hier finden Sie einen guten Überblick zu PEM/PESE sowie den Link zu einem Video-Podcast:
Beispiele für die Differenzialdiagnostik in Bezug auf das Auseinanderdifferenzieren von Long-Covid Symptomen aufgrund von prolongiertem akutem Verlauf bzw. Organschäden durch den akuten Verlauf, Verschlechterung von bestehenden Erkrankungen und Spätschäden und dem postakuten Infektionssyndrom Post-Covid (mit u.a. PEM, autonomer Dysfunktion, Immundysfunktionen wie MCAS, kognitiver Dysfunktion und Schmerzsymptomatiken) finden Sie unter folgende drei Links zu kurzen Fortbildungspodcasts der ÖGAM:
- Long- /Post- COVID bei Erwachsenen; kognitive Dysfunktion in der hausärztlichen Versorgung: https://covid-19.infotalk.eu/20231227_kognitive_dysfunktionen
- Long- /Post- COVID bei Erwachsenen; Husten/Dyspnoe in der hausärztlichen Versorgung: https://covid-19.infotalk.eu/20230802longcovid_husten_dyspnoe
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Long- /Post- COVID bei Erwachsenen; Schwindel, Tachykardie und Co. in der hausärztlichen Versorgung: Fortbildungspodcast: Long-Covid: Schwindel, Tachykardie und Co.
Projekte
--> siehe auch CovFIT study
--> Update Österreichische S1 Leitlinie Long-Covid jetzt unter dem Titel: "Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19", inklusive Webtool
--> Long-Covid und PAIS Forschung im Rahmen des europäischen Eurodata-Projekt
--> DACH-Konsensusstatement Gruppe zu ME/CFS: https://link.springer.com/article/10.1007/s00508-024-02372-y
Projekt: Assessing healthcare for patients with post-acute infection syndromes like ME/CFS (Care4PAIS&ME/CFS)
Diese Studie, die von der WE&ME Foundation gefördert und von der Medizinischen Universität Wien, Abteilung für Primary Care Medicine, in Zusammenarbeit mit der Universität Wien, Institut für Mathematik, und der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS durchgeführt wird, ist richtungsweisend für das Verständnis und die Verbesserung des medizinischen Weges von Patient:innen, die an postakuten Infektionssyndromen (PAIS), wie ME/CFS oder Post-COVID, leiden. Durch die Verwendung eines fortschrittlichen, patient:innenzentrierten Online-Fragebogens untersucht die Studie mit großer Tiefe und Präzision das Spektrum spezifischer PAIS-Syndrome, wie z. B. post-exertionelle Malaise, autonome Dysfunktionen, Mastzellüberaktivität oder kognitive Dysfunktionen (anstelle einzelner, zufälliger Symptome, die üblicherweise in anderen PAIS- und Long-Covid-Studien erhoben werden), um diese dann mit den beschriebenen Symptomen, der erfolgten Diagnostik und den Therapieversuchen zu vergleichen. Darüber hinaus zielt die Studie darauf ab, diese Syndrome und Symptome im Zusammenhang mit den kanadischen Konsenskriterien (CCC) für ME/CFS zu bewerten. Diese Forschung ist entscheidend für die Förderung eines tieferen Verständnisses und die Entwicklung wirksamer Diagnostikwege und Interventionen, die direkt auf die spezifischen Syndrome und Symptome von PAIS- und ME/CFS-Patient:innen zugeschnitten sind.
Lehre
Seit 10.07.2023 gibt es ein Moodle-Seminar für alle interessierten Studierenden des Studiums Humanmedizin und N790 der MedUni Wien zum Thema Long-Covid, Post-Covid Syndrom sowie ME/CFS. In diesem Seminar finden Sie Informationen zu Definition, Riskofaktoren und Präventionsmöglichkeiten, Epidemiologie, Symptomen, Ursachen, Diagnostik und Therapieoptionen. Anmeldung per Selbsteinschreibung unter folgendem Link mit dem Passwort "LongCovid": https://moodle.meduniwien.ac.at/course/view.php?id=2221
Zusätzlich gibt es zum Thema ME/CFS, PAIS und post-COVID Syndrom an der MedUni Wien durch die Initiative von Univ.-Prof. Dr. Hoffmann und Assoc.-Prof. DDr. Untersmayr-Elsenhuber seit dem Jahr 2021 mehrere Lehrveranstaltungen, die auf den entsprechenden MeUni Wien Seiten näher beschrieben werden:
- Eine Vorlesung im Pflichtcurriculum im 5. Jahr: Line "Interdisziplinäre Fallbesprechungen"
- Ein Moodle-Seminar im KPJ-Allgemeinmedizin
- Eine Vorlesung im PhD Studium
Darüber hinaus gibt es jetzt auch erstmal ein Kapitel zum Thema postakute Infektionssyndrome und Erkrankungen in einem offizielle Lehrbuch für Allgemeinmedizin, aber ACHTUNG: nur im eBook!
Hoffmann K. Postakute Infektionssyndrome und Erkrankungen, In: Zelko E et al. (Hrsg.). Lehrbuch für Allgemein-/ Familienmedizin. EBook. Trauner Verlag; 2024. ISBN 978-3-99151-341-4 <Link>
Gute und aktuelle Informationen zum Krankheitsbild ME/CFS finden Sie im Dokument:
Das Ziel dieses D-A-CH-Konsensusstatements ist es, 1) den aktuellen Wissensstand zu ME/CFS zusammenzufassen, 2) in der Diagnostik die kanadischen Konsensuskriterien (CCC) als klinische Kriterien mit Fokus auf das Leitsymptom post-exertionelle Malaise (PEM) hervorzuheben und 3) vor allem im Hinblick auf Diagnostik und Therapie einen Überblick über aktuelle Optionen und mögliche zukünftige Entwicklungen aufzuzeigen. Das D-A-CH-Konsensusstatement soll Ärzt:innen, Therapeut:innen und Gutachter:innen dabei unterstützen, Patient:innen mit Verdacht auf ME/CFS mittels adäquater Anamnese und klinisch-physikalischen Untersuchungen sowie der empfohlenen klinischen CCC zu diagnostizieren und dabei die präsentierten Fragebögen sowie die weiteren Untersuchungsmethoden zu nutzen. Der Überblick über die zwei Säulen der Therapie bei ME/CFS, Pacing und die symptomlindernden Therapieoptionen sollen nicht nur Ärzt:innen und Therapeut:innen zur Orientierung dienen, sondern auch Entscheidungsträger:innen aus der Gesundheitspolitik und den Versicherungen darin unterstützen, welche Therapieoptionen bereits zu diesem Zeitpunkt bei der Indikation „ME/CFS“ von diesen erstattbar sein sollten.
Weitere Informationen zu ME/CFS gibt es unter dem folgenden Link:
Projekt Care for ME/CFS
Care for ME/CFS hat zum Ziel Praxisleitfäden zu erarbeiten, um eine bedürfnisorientierte und evidenzbasierte Versorgung von ME/CFS Betroffenen zu erleichtern.
Im Fokus stehen die Themenbereiche:
- Diagnose
- Behandlung/Pflege
- Ausgestaltung von Anlaufstellen
Als erstes Ergebnis finden sie hier die Praxisleitfäden zu ME/CFS!